Simone Lück-Hildebrandt
Sonnabend, 2. Juli 16 Wir treffen ganz pünktlich am Flughafen Schönefeld ein, müssen sogar noch bis zum check-in warten. Der Flug nach Edinburgh verläuft ohne Probleme. Zu unserer Überraschung landen wir gegen 22.20 noch im Hellen. Fahrt mit dem Bus in die Stadt. Gut, dass wir warm anzogen sind, es ist ziemlich kühl und windig. Das Einchecken im Student Hostel geschieht ohne Probleme. Das Zimmer, klein aber fein, ist für die Selbstversorgung gut ausgestattet: Als einziges Problem erweist sich das Bett. Es ist sehr schmal und hart gefedert. Sonntag, 3. Juli 16 Auf der Suche nach einem Frühstück erkunden wir die East Road und werden bald fündig. Die Straße führt in Richtung Hafen zum Ocean Terminal. Rechts und links der Straße stehen in dunklem Naturstein und im gleichen Stil errichtete dreistöckigen Häuser, von denen sich der grüne Rasen der Parks kontratreich abheben. Das Wetter ist sehr klar, sonnig, aber kühl. Nahe der Küste kommen wir in ein interessantes Viertel: Neue Häuser wechseln mit umgebauten Speicheranlagen ab. Der Ocean Terminal ist ein riesiges Einkaufszentrum (Baustil Arkaden) mit schönem Ausblick vom oberen Parkdeck auf das Meer. Eine Attraktion ist das königliche Segelschiff, das man besichtigen kann. Am Nachmittag erkunden wir den Weg in Richtung Schule. Als erstes entdecken wir, dass wir next to the queen wohnen. Es ist der Palast, in dem sich die Queen einmal im Jahr für ca. zwei Wochen aufhält. Sie ist gerade in Edingburgh anwesend. Die Schule finden wir zwar nicht, aber dafür das legendäre Andaluz-Restaurant, das in in allen Reiseführern verzeichnet ist. Insgesamt ist unser erster Eindruck sehr positiv: die Leute sind sehr freundlich. Wenn man durch die Straßen geht, empfindet man keine Hektik, sondern eine gewisse Gelassenheit. Montag, 4. Juli 16 Wir stehen früh auf. Nach einem kleinen Frühstück starten wir in Richtung Schule. Reinhard begibt sich in die Unterrichtsräume und ich mache mich auf den Weg zur Touristeninfo, um Erkundigungen über Busfahrkarten in die Highlands einzuholen. Auf dem Weg gibt es viele Geschäfte und da muss geschaut werden. Mein erster Gang durch die Altstadt mit vielen Touristen schließt sich an: Besuch in der St.Giles' Cathedral und im lauschigen Writer's Museum. Langsame Rückkehr zur Schule, um Reinhard in Empfang zu nehmen. Anschließend kleines Suppenmittagessen im Fischrestaurant. Regen setzt ein und begleitet uns bis in den Abend. Der für den Abend angesetzte Besuch im Comedy-Club fällt aus zwei Gründen ins Wasser: der Club ist voll besetzt und es regnet immer noch. Statt Comedy finden wir ein kleines Restaurant in der Altstadt mit sehr leckerem Kuchen. Dienstag, 5. Juli 16 Heute läuft schon am Morgen alles wie eingespielt: Der Mann geht zur Schule, die Frau macht die Betten und säubert die Wohnung. Da ich mich beim Einkaufen etwas verlaufe, habe ich die Gelegenheit, die nähere Umgebung des Studentenwohnheims kennen zu lernen. Es gibt einige kleine „angesagte“ Läden – Keramikladen mit Café, zwei Osteopathie-Studios – daneben dann aber auch ganz einfache kleine Läden mit vorwiegend indischen Besitzern. In einem Supermarkt mit vorwiegend gefrorenen Lebensmitteln sowie Fertiggerichten erlebe ich, was die einfachen Leute essen. Wenn sie sehr viele Fertiggerichte kaufen, werden ihnen die Lebensmittel sogar frei ins Hause geliefert. Nach Schulschluss kaufen wir ein sehr gutes und preisgünstiges, aus festem wasserabweisenden Stoff hergestelltes Jackett für Reinhard und buchen anschließend unsere Tour in die Highlands. Die junge Frau am Schalter kommt aus Spanien. Viele junge Angestellte kommen aus Spanien, Portugal oder auch aus Polen. Zurückgekehrt in unserer Unterkunft finden wir die gewünschte zweite Bettdecke vor. So haben wir nun wirklich ein weiches Bett. Danach kochen wir in der Küche unserer Mittagessen und fahren anschließend noch einmal in die Altstadt. Wir wundern uns über die vielen feingemachten Leute – die Damen in leichten, manchmal abenteuerlichen Cocktailkleidchen mit einem „Hauch“ von Hütchen, die Herren häufig im Schottenrock. In einem der vielen schottischen Bekleidungshäuser erfahren wir, dass die Queen zur Gartenparty eingeladen hat – uns leider nicht!!! Dafür gibt es noch eine wunderbare Wintercasquette. Der Verkäufer zeigt sich als Schotte nicht glücklich über den Besuch der englischen Queen. Bis zum Beginn des Tanzabends, Ceilidhs, bleibt uns noch Zeit. So haben wir Gelegenheit, das Schloss von außen zu betrachten, zum Grassmarket hinunterzusteigen und die berühmte Edingburgher Universität anzuschauen (David Hume und Adam Smith lehrten hier.). Direkt neben der Universität erstreckt sich eine wunderbare weite Rasenfläche, die zum Ballspielen einlädt. Wir beobachten ein bisschen die zahlreichen Freizeitsportler. Der Tanzabend im Malones ist eine lustige Angelegenheit. Das Malones ist ein großes Lokal mit einer Rundumveranda – wir fühlten uns ein bisschen an das Globe Theatre erinnert. Im Eintritt inbegriffen ist ein Glas Bier oder Whiskey. Zunächst noch leer, füllt sich das Lokal nach und nach mit vorwiegend jungen Leuten. Offenbar sind auch Touristen oder auch Studenten aus anderen Ländern dabei. Nachdem sich die Musiker eingestimmt haben, werden alle Anwesenden zum Volkstanz aufgefordert. Die energische Violinistin erklärt die Reihenfolge der verschiedenen Tanzschritte. Ganz schnell entsteht eine lustige, ausgelassene Stimmung. Die Leute werfen sich mit ihrer ganzen jugendlichen Energie in die Tänze. Obwohl es zunächst den Anschein hat, als würde alles chaotisch durcheinander gehen, entwickelt sich doch langsam ein einigermaßen abgerundetes Bild der verschiedenen Tänze. Ein älteres Ehepaar aus Jerusalem (wahrscheinlich unser Alter) gesellt sich zu uns. Die Frau würde wohl gerne tanzen, aber der Mann will nicht. Deshalb fragt sie mich, aber ich begreife schnell, dass die robustenTanzschritte meinen Knien nicht gut tun würden. Mittwoch, 6. Juli 16 Heute entdecke ich auf meinem morgendlichen Alleingang das wunderbare Scottish Storytellung Centre. Es befindet sich im ältesten Haus in der High Street; unter dem gleichen Dach ist auch das John Knox Museum (John Knox, ein Reformator) untergebracht. Dieses Zentrum bietet alles: Erzählvormittage für Kinder, Geschichtenerzählungen am Nachmittag und am Abend, kleine Ausstellungen, Fortbildungen für Erzähler, Hilfe für Menschen in sozial und psychisch schwierigen Situationen und ein wunderbares Café. Auf den Tischen steht eine kleine Glasschale mit „Erzählsteinen“, gedacht für die Abendveranstaltungen, wenn das Publikum in das Geschichtenerzählen eingebunden werden soll. Nach einem leckeren Capuccino und einem kleinen Stück Kuchen geht es weiter in Richtung North-Bridge. Zwischendurch entdecke ich noch einen kleinen feinen Schmuckladen und das Restaurant „The Dome“ im Gebäude der ehemaligen Commercial Bank of Scotland. Dort kann man unter einer wunderbaren Kuppel (vergleichbar mit der von Lafayette in Paris) sehr teuer zu Mittag essen. Einen kleinen Tee dagegen kann man sich im Georgian Restaurant genehmigen, wozu ich dann auch Reinhard überreden kann. Der zweite Schultag war doch recht anstrengend und der Tee mit Blättern von Passionsfrucht und Orange hilft uns wieder auf die Beine. Weitere Rundgänge fallen jedoch ins Wasser, denn es regnet schon wieder. Wir bereiten das Essen vor und verkriechen uns anschließend in unserem schmalen Bett. Danach machen wir uns doch noch einmal auf den Weg zum Leigh-Quartier, das in der Nähe des Hafens am Fjord liegt. Die alten Lagerhäuser hat man - wie bereits erwähnt - ganz geschickt zu Wohnhäusern um-, und z.T. zu Lofts, ausgebaut. Insgesamt herrscht am Abend eine nette entspannte Atmosphäre. Es regnet wieder stärker, deshalb müssen wir Zuflucht in einer Bar mit Restaurant suchen. Hier starren alle gebannt auf den Bildschirm, denn es spielt Wales gegen Portugal. Dennoch ist die Atmosphäre nicht aufgeladen, sondern eher entspannt. Auf dem Rückweg finden wir noch einen offenen Lidl-Markt, so dass wir noch Fehlendes einkaufen können. Der Bus 35 bringt uns schließlich zurück in die Unterkunft. Im Fernsehen verfolgen wir noch die „erschütternden“ Äußerungen von Tony Blair aus dem nach längerer Verzögerung veröffentlichten Bericht über den Anfang des Irak-Kriegs, den die USA und Großbritannien leichtfertig vom Zaun gebrochen hatten, ohne an die Spätfolgen ihres Eingreifens (Zerrüttung des gesamten arabischen Raums) den leisesten Gedanken zu verschwenden. In der Zeit nach dem Brexit wird die britische Nibelungentreue zu den damals aggressiv vorangehenden USA als Niederlage empfunden. Donnerstag, 7. Juli 16 Zu unserem großen Erstaunen beginnt der Tag wettermäßig sehr freundlich. Dabei bleibt es auch, was für ein Wunder!! Ich habe die Möglichkeit, die Lerngruppe für den Besuch des Parlaments zu begleiten. Zugleich bekomme ich einen kleinen Einblick in den Unterricht; die Lehrerin macht das wirklich gut – erfrischend, motivierend und humorvoll. Wir können zwar keine Parlamentssitzung besuchen (es ist schon Sommerpause), aber der Besuch in diesem außergewöhnlichen Gebäude – es erinnert ein bisschen an die Philharmonie – lohnt sich auf jeden Fall. Interessanterweise hat man dieses Gebäude ganz in die Nähe des Holyrood-Palace gebaut, in dem die Queen nun ja gerade ihre zwei Wochen verbringt. Der Besuch beginnt mit einer sehr eindrucksvollen Fotoausstellung: Journalisten aus der ganzen Welt haben in ihren Fotos das große Elend, das uns ständig in den Nachrichten begleitet, auf die Platte gebannt. Teilweise wird einem der Atem genommen, zumal man sich vergegenwärtigen muss, dass es die „glorreichen“ Amerikaner und Europäer sind, die dieses verursacht haben. Ironischerweise treffen wir dann auch noch die Queen, als sie den Palast Richtung Innenstadt verlässt. Die schottische Kleidung mit einem Hut mit Troddeln besetzt erinnert fast an ein Karnevalskostüm. Der Gegensatz zwischen der distinguierten Pracht der Queen-Entourage und der Armut und dem Hunger in der Fotoausstellung drinnen kann größer nicht sein!! Die Rückkehr zur Schule geht über den Carlton-Hill, einer der lohnenswerten Aussichtspunkte auf die Stadt. Der heutige Unterricht endet mit diesem Besuch; so können wir zum Hostel zurückkehren und uns für den Nachmittag ausruhen. Wir stürzen uns wieder in das Getümmel der High-Street und besuchen die St.Giles' Kathedrale, das Writer’s Museum und das Edinburgh Castle. Im Museum und im Schloss wird uns noch einmal sehr deutlich, welche Traditionen auf den Schotten „lasten“:
Nach diesen intensiven Besuchen genehmigen wir uns noch einen Tee und schließlich ein sehr leckeres Muschelgericht im wahrscheinlich besten Fischrestaurant Edinburghs Etwas abgekämpft kommen wir zu Hause an und müssen uns dann doch noch die Niederlage Deutschlands gegen Frankreich anschauen. Na ja … Freitag, 8. Juli 16 Morgens wie immer: Frühstück, der Mann geht zur Schule, Schreiben, Einkaufen. Es bleibt gerade noch genug Zeit, um herauszufinden, wie teuer die Fahrt mit dem Bus nach Glasgow ist. Die Entscheidung ob Bus oder Zug ist schnell geklärt; mit dem Bus ist es eindeutig billiger. Nach „Schulschluss“ gibt es zunächst einen guten Kaffee; das Kaffeehaus ist in einem Haus aus der Jahrhundertwende untergebracht, zu bewundern ist die kleine Glaskuppel. Nach dem Geldtausch geht es nach Hause. Heute bereiten wir unseren wunderbaren Lachs zu. Obwohl bei Lidl eingekauft, ist er doch von hervorragender Qualität. Der Mittagsschlaf ist nach einem so hervorragenden Essen unvermeidlich. Am Nachmittag geht es mit dem Bus zum Portobello-Strand. Ein sehr hübscher Ort, ehemals ein Dorf, in dem vor allem Ziegel gebrannt wurden, aber in dem auch schon immer die Bewohner von Edinburgh ihr Wochenende verbracht haben, zunächst die reichen Bürger und später auch die „working class“. Bemerkenswert, dass man in der heutigen Zeit noch so eindeutig die Klassengesellschaft benennt. Für uns wird es nachvollziehbar, dass es in Großbritannien ein noch ausgeprägtes Klassenbewusst-sein gibt, was ja bei uns durch geschickte Formulierungen versteckt wird. Der Spaziergang auf der Strandpromenade bei Abendsonnenschein ist wunderbar. Das Wasser hat höchstens eine Temperatur von 13/14 Grad: eindeutig zu kalt für uns. Zunächst sehen wir nur Hunde, die in die Wellen springen, später allerdings auch zwei junge Mädchen (ca. 9 oder 10 Jahre alt). Wir haben zwar insgesamt nicht den Blick auf das weite Meer, es riecht auch noch nicht nach Meer, aber trotzdem erholen wir uns gut. Gegen 20.30 Uhr geht es zurück nach Hause. Noch ein bisschen Fernsehen und dann verkriechen wir uns ins Bett. Sonnabend, 9. Juli 16 Heute lassen wir es gemütlich angehen. Nach dem Frühstück geht es zum zentralen Busbahnhof. Überpünktlich, um 8.55 Uhr geht es in Richtung Glasgow. Obwohl wir uns vornehmen, auf Industrieansiedlungen zu achten, überkommt uns schnell die „Morgenmüdigkeit“, die uns erst in Glasgow wieder verlässt. Der Tag dort beginnt zunächst regnerisch. Direkt neben dem Busbahnhof befindet sich die „Concert Hall“, ein imposanter Neubau. Allerdings sind bereits Theaterferien, so dass wir kein Konzert buchen können. Der weitere Weg führt uns zunächst zum Zentralbahnhof – ein geniales Gebäude aus dem 19. Jahrhundert. Er sieht zwar anders aus als die „Gare de Lyon“, aber es herrscht der gleiche Flair. Durch die Dachfenster ist es besonders hell und dies hebt sich sehr gut ab gegenüber den kleinen eingebauten Boutiquen aus dunklem Holz. Ein Edelrestaurant darf hier natürlich nicht fehlen: das „Champagne“; wir sind schon mit einem kleinen Kaffee zufrieden. Gut aufgeweckt, drehen wir nun unsere Runden durch die Innenstadt, die meisten Gebäude stammen aus der Jahrhundertwende (19. zum 20. Jh). Ein besonders hübscher Laden zieht unsere Blicke an, ein Teehaus. Hier finden wir den wunderbaren Mango-Tee (Teeblätter). Und ein bisschen weiter sind kleine und große Flaschen mit Seife oder Kosmetik sehr anziehend. Eine freundliche Verkäuferin lädt uns zum Händewaschen ein. Ja, diese Lotion ist schon wunderbar. Und dann gibt es auch Sandelholzlotion. Das muss ja doch gekauft werden. Fast interessanter ist jedoch das Gespräch mit der Verkäuferin, die uns auf Deutsch anspricht und uns erzählt, dass sie lange in der Nähe von Frankfurt gelebt hat. Auf das Wetter angesprochen, erklärt sie uns, dass es eigentlich immer im Juli regnet. Auf jeden Fall freut sie sich, ihr Deutsch zu praktizieren. So nun ist aber genug eingekauft. Es gibt nichts mehr, auch nicht in der wunderbaren Diamantengalerie: wieder ein architektonisches Schmuckstück vom Ende des 19.Jhs. Zugleich haben wir noch nie so viele hässliche Brillantringe, -armbänder und -ketten auf einen Fleck gesehen wie dort. Auch bei genauestem Suchen findet sich keine Fassung, die mir auch nur annähernd gefallen könnte. Unser weiterer Weg durch die Einkaufsstraßen führt uns in eine viel ärmere Gegend, wir haben den Eindruck, dass hier alles abgerissen und durch irgendwelche Geschäftszentren ersetzt werden soll. Insgesamt ist unser Interesse so langsam gesättigt. Wir haben verstanden, dass Glasgow letztlich eine Industriestadt ist: planquadratisch angelegt, Ende des 19. Jhs. erbaut und jetzt natürlich erweitert. Um groß einzukaufen, fährt man nach Glasgow, aber um nett zu leben, fährt man nach Edinburgh. Am Abend machen wir noch einen kleinen Rundgang um unser Studenthostel. Wir entdecken, dass der Aufstieg zum Arthur’s Seat, 251 m, hoch ist. Teilweise sieht es so ein bisschen aus wie auf dem Teufelsberg, aber es gibt am Teufelsberg kein Schloss mit einer Königin. Zwei Bier in einem Pub beschließen den Abend. Sonntag, 10. Juli 16 Heute ist sehr frühes Aufstehen angesagt, denn es geht in die Highlands zum Loch Ness. Ganz in der Nähe von unserer Unterkunft werden wir mit dem Reisebus abgeholt. Es ist interessant zu sehen, wo die anderen Gäste untergekommen sind – teilweise in ganz feudalen Travel-Lodges. Obwohl wir uns zunächst über sehr schönes Wetter freuen können, werden wir doch schnell vom Regen eingeholt. Trotz Regen ist die weiche Hügellandschaft fantastisch, vor allem das Grün ist überwältigend – leider braucht es dazu genau diesen „Fiesel-Regen“. Der Busfahrer informiert sehr viel über die Geschichte Schottlands, über Legenden, über die aktuelle Zeit. Schade, dass wir ihn mit seinem knackigen Akzent nicht immer verstehen können. Beim zweiten Halt nutzen wir die Zeit zum Mittagessen; hier bekommen wir endlich mal die typische englische Kost. Im Vergleich dazu ist unser "hand made" Essen natürlich „outstanding“. Trotz Regen machen wir aber auch die Fahrt auf den Loch Ness mit und erfahren dabei doch wichtige Dinge; z.B. dass genau an dieser Stelle die Bruchkante zwischen der amerikanischen und der europäischen Kontinentalmasse ist. Obwohl die Sonne immer wieder mal versucht durchzubrechen, bleibt es doch beim Regen. Erst beim letzten Halt hört es endlich auf. Der kleine Whiskey, den ich mir dort genehmige, schmeckt ausgezeichnet. Zu Hause angekommen essen wir noch unser „Hasenbrot“, und es gibt natürlich noch das Fußballendspiel Frankreich gegen Portugal. Es ist ein wirklich spannendes Spiel, es endet mit dem Sieg Portugals in der Verlängerung. Montag, 11. Juli 16 Heute sind wir noch ein bisschen müde von dem vergangenen Wochenende. Aber irgendwie macht jeder seinen Job: Reinhard in der Schule, Simone zu Hause. Dennoch habe ich genug Zeit, das kleine Edinburgh-Museum zu besichtigen. Hier wird vor allem ausgestellt, dass es in der High Street sehr hochwertiges Handwerk gab – wunderbare Silberwaren wechseln sich mit meistens geschmackvollen Töpferarbeiten ab. Besonders gefallen haben mir zwei Räume für Kinder, in einem Raum kann gebastelt werden, im nächsten Raum können die Kinder sich in mittelalterlicher Kleidung verkleiden. Bezeichnend sind dann auch wieder Räume, in denen das Leben und Wirken eines schottischen Generals aus dem 1. Weltkrieg dargestellt wird. Die Erinnerung an die Rolle Englands im ersten und zweiten Weltkrieg wird auf diese Weise ständig wachgehalten und dient gewissermaßen als Richtschnur für heutiges Handeln. Aber heute ist nicht nur Museum und Geschichte angesagt, sondern es wird auch eingekauft: die schönen Ohrringe, die ich schon auserkoren hatte, und ein hübscher Pullover für kühlere Zeiten. Ich komme auch noch rechtzeitig zum Schulschluss. Reinhard ist dann immer ganz voll mit Unterricht, es dauert eine Weile bis er wieder in unserer gemeinsamen Realität angekommen ist. In dieser Realität gehen wir in das kleine französische Café und essen dort unsere geliebten Rosinenschnecken. Am Abend machen wir noch einen netten kleinen Ausgang in das architektonisch interessante Viertel „Stockbrigde“ entlang des Flüsschen Leigh. Z.T. kann man an diesem Fluss entlang gehen, es erinnert ein bisschen an Brügge. Anschließend schauen wir uns das ehemalig für Arbeiter konzipierte Viertel an: zweistöckige Häuser mit Dachgeschoss und kleinem Gärtchen. Dazu gehört auch ein Schwimmbad, ganz vergleichbar mit dem in der Berliner Krummestr. Aber auch hier hat natürlich die Gentrifizierung zugeschlagen. In einem kleinen, aber feinen Weinlokal beenden wir unseren Ausgang. Der Pinot Noir, den ich trinke, bringt uns gefühlsmäßig zurück nach Bovec in Slowenien – das wunderbare Tartargericht mit besagtem Rotwein war immer unser Weihnachtsessen. Na ja, und Reinhard hat voll zugeschlagen mit einem Cabernet Sauvignon, ein kräftiger Rotwein. Entsprechend gut haben wir geschlafen. Dienstag, 12. Juli 16 Nach dem morgendlichen Einkauf mache ich mich auf den Weg zum National Museum of Modern Art. Die Fahrt führt mich in den Westen der Stadt. Nach ein bisschen Umherirren stelle ich auf Nachfrage fest, dass ich in der richtigen Straße bin. – Kaum Fußgänger, keine Touristen. – Rechter Hand geht es steil hinab zur Dean Village – wieder ein ganz eigenständiges Viertel (hierher müssen wir noch einmal zurückkehren). Nach ca. 10 min. erreiche ich den ersten Teil des Museums, in einem sehr schönen Park gelegen. Da hier nach Auskunft des Pförtners jedoch nicht viel zu sehen ist, gehe ich gleich weiter zum zweiten Museum. Die Ausstellung über den Surrealismus ist sehr übersichtlich, gut dokumentiert und für mich von Interesse, weil mir hier klar wird, wie der philosophische „Aufbruch“ in die Moderne von den Kunstbewegungen begleitet wurde oder umgekehrt, wie die Kunst die philosophische Entwicklung beeinflusst hat. Auch dieses Museum ist von einem wunderbaren Park umgeben. Alles strahlt eine unglaubliche Ruhe aus. Dann muss ich mich aber schnell auf den Rückweg machen, um rechtzeitig an der Schule zu sein. Nach dem Genuss einer kräftigen Tomatensuppe geht es zunächst hinauf zum Schloss, dann weiter zur angesagten Victoria-Street. In der Tat findet man hier interessante Läden, eine gut ausgestattete „crèmerie“ – einen kleinen Käse müssen wir doch kaufen –, elegante Bekleidungsläden für die Dame und den Herren, es ist jedoch alles viel zu klassisch für uns. Unser Weg führt uns nun zur Gereyfriars Kirk und zum dazugehörigen Friedhof, der sich vollkommen in die umliegenden Häuser einfügt. In dieser Kirche wurde der National Convent unterzeichnet, der festlegte, dass sich die schottische Kirche nie dem englischen König unterwerfen würde. Die Kirche ist im Stil der Renaissance gebaut; mit einer wunderbaren Orgel ausgestattet, bietet sie sich für Konzertabende an. Ein bisschen verwundert sind wir schon, dass bei allen ausführlichen Berichten über die Reformation der Name Luthers oder Calvins überhaupt nicht auftaucht. Hier spürt man sehr deutlich, wie sehr sich die britischen Menschen einzig und allein auf das Geschehen auf der Insel konzentrieren. Nach diesem ersten geistigen Höhenflug steigen wir zu weiteren Höhen auf und besuchen die Universität von Edinburgh. Vor dem Hauptgebäude wird zwar viel gebaut, aber ein Besuch des Inneren lohnt sich schon sehr. Hier wird man tatsächlich vom „Geist“ der vergangenen Jahrhunderte umweht, zugleich sind aber auch die „Errungenschaften“ (???) des 21. Jhds. präsent, als da sind: Internet-Anschlüsse, Wifi, Fotokopierbüros, Kaffeemaschinen, mobile phones etc. Nun gilt es noch, Reinhards Bücher zu finden. Mit einem besonderen Besucherausweis ausgestattet, machen wir uns in der Hauptbibliothek auf die Suche. Immerhin, der „Kampf um Weltmacht“ ist vor Ort vorhanden, ein weiterer Artikel in einer anderen Bibliothek. Wir fahren hinauf in die Lesesäle, in die Zeitschriftenabteilung. Leider gibt es weder Zeitungen noch Zeitschriften, dafür aber eine kleine Sesselecke zum Schlafen. Ich finde noch ein Buch von Luc Ferry: „L’homme Dieu“. Nach diesem kleinen Nickerchen finden wir unseren „Hausbus“ 35, der uns fast vor unserer Unterkunft absetzt. Auf einem Abendspaziergang entdecken wir noch, dass sich längsseitig der mittelalterlichen Canongate- und Highstreet ein ganz modernes Viertel mit recht eleganten Wohnhäusern befindet. Mittwoch, 13. Juli 16 Mein erster Gang führt mich zur Post, zum Geldwechseln, mein zweiter zum Ticketcenter für das Jazz- und Edinburgh-Festival. Das Ticketcenter sowie die Organisationszentrale sind in einer ehemaligen Kirche untergebracht. Ich habe viel Glück, denn für ein Konzert am Freitag bekomme ich noch Karten. Nach einem Café und einem gemütlichen Schaufensterbummel erreiche ich wieder rechtzeitig die Schule. Nach unserem leckeren Mittagessen und Ausruhen geht es noch einmal in das kleine Edinburgh-Museum. Anschließend besuchen wir das „Dean Village“, das sich an den Fluss Leigh anschmiegt. Auch hier wohnen natürlich wieder betuchtere Leute, die sich auch eine Mitgliedschaft im vornehmen Swimming Club – ein klassizistischer Bau mit orientalischem Einschlag – leisten können. Am Leigh-Flüsschen entlang führt uns der Weg durch eine beinahe verwunschene Landschaft wieder zum Stockbridge-Viertel. Der Weg nach Hause mit dem Bus ist ein bisschen langwierig, da ein 35iger ausgefallen ist. Donnerstag, 14. Juli 16 Der Vormittag beginnt mit einem Besuch im National Museum of Portrait, das in einem neugotischen Gebäude untergebracht ist – zwar nicht so ganz unser Geschmack, aber doch sehr edel. Leider sind einige Teile des Museums wegen der Vorbereitung einer Portrait-Ausstellung (von Rembrandt bis Ai WeiWei) nicht zugänglich. Aber auch so ist der Besuch sehr lohnenswert. Auf dem Weg in die oberen Galerie-Räume mache ich zunächst Halt in einer wunderbaren Bibliothek, ganz aus Holz, mit einer Balustrade, mit vielen alten Büchern und mit den Totenmasken berühmter Wissenschaftler (na ja die Frauen haben es noch nicht in diese Ausstellung geschafft). Im ersten Stock treffe ich auf eine Photoausstellung zeitgenössischer Photographen, die an einem schottischen Photowettbewerb teilgenommen haben. Es sind außergewöhnliche, z.T. sehr bewegende Photographien, die zudem auch noch in einer Weise gehängt wurden, in der sie miteinander korrespondieren. (Für mich gibt es später noch einmal einen zweiten Durchgang mit Reinhard.) Auf der nächsten Etage finde ich dann Portraits derjenigen Männer und Frauen, die die schottisch-englische Geschichte beeinflusst haben. Hier kann man noch einmal recht eindrucksvoll die Entwicklung Schottlands von einem unabhängigen Königreich hin zu einem letztlich von England beherrschten Gebiet nachvollziehen. Die durch die Reformation ausgelösten Aufstände von Seiten der einfachen Bevölkerung bringen letztlich „den Stein ins Rollen“: nämlich den Verlust der Unabhängigkeit Schottlands. Der Versuch, Schottland wieder dem Katholizismus zuzuführen, misslingt jedoch nach vielen verlustreichen Kämpfen. Die Parallelität zur kontinentaleuropäischen Geschichte ist zwar offensichtlich, der Betrachter aus Großbritannien bekommt jedoch nichts davon mit, es sei denn er ist von vornherein darüber informiert. Nach diesem Gang durch die Geschichte genehmige ich mir einen Gang durch eines der schottischen Luxuskaufhäuser. Wie im Kadewe warten die Verkäuferinnen sehnsüchtig auf Kundschaft und begrüßen alle Kunden sehr persönlich. Na ja, es gibt schon sehr edle Kleidungsstücke, allerdings sind die heruntergesetzten Kleidungsstücke nicht so überwältigend. So muss ich meine kleine „folie“ doch in dem Hemdenladen machen, den ich mir gestern schon angeschaut habe. Zum Mittagessen gehen wir in die Porträtgalerie – sehr lecker und gar nicht so teuer. Anschließend schauen wir uns noch einmal gemeinsam die Photoausstellung an. Nach Mittagsschlaf und Kaffee & Kuchen machen wir uns auf den Weg zum Storyteller-Zentrum. Für die Abendveranstaltung wollen wir auf jeden Fall rechtzeitig unsere Plätze einnehmen. Das gibt uns die Gelegenheit, in aller Ruhe den mit viel Liebe ausgestatteten Raum zu betrachten. Das helle Holz, das hohe Fenster mit Blick auf die Bäume gibt dem Raum eine warme, helle und offene Atmosphäre. Nachdem die Künstlerin ihre Bühne eingerichtet hat, geht sie durch die Reihen und fragt, ob die Anwesenden vielleicht selber eine Geschichte erzählen wollen. Wir sind dazu noch nicht mutig genug, aber die Künstlerin findet dennoch genügend Interessierte. Sie selber spielt Querflöte, Harfe, chinesische Flöte und begleitet sich so beim Erzählen ihrer Geschichten. Zugleich ist auch die Malerin der wunderbaren, japanisch inspirierten Tuschezeichnungen anwesend, von denen sich die Erzählerin ihrerseits inspirieren lässt. An diesem Abend entsteht nun ein ganz bunter Strauß von Geschichten, Liedern und Musik. Die für uns wichtigsten Geschichten waren:
Die abendlichen Fernsehinformationen haben uns dann leider tatsächlich wieder in die grausame Realität zurückgeholt: es wird von einem schrecklichen Attentat in Nizza zum Zeitpunkt des Feuerwerks zum 14. Juli berichtet mit – wie wir am nächsten Morgen erfahren – 84 Opfern. Freitag, 15. Juli 16 Letzter Schultag für Reinhard, letzter Einkaufs- und Besichtigungstag für mich. Das Wetter ist außergewöhnlich warm für Edinburgh. Ich mache mich auf den Weg, um zunächst nach einem Geschenk zu suchen, was sich jedoch nicht so einfach gestaltet. Dann schaue ich mir noch einmal das älteste und eigentlich schönste Kaufhaus an. Leider ist es doch durch die Modernisierungen verunstaltet worden, der eigentliche Charakter ist weitgehend verloren gegangen. Wie in Berlin wartet man in den oberen Etagen – Möbel und Porzellan – auf Kundschaft und stürzt sich erfreut auf jeden Besucher. Die Zeit ist nun doch so schnell vorangeschritten, dass ich nicht mehr zum National Scottish Museum komme, um dort die sicher wunderschöne große Halle zu sehen, die im Edinburgh-Führer angepriesen wird. Den Besuch der Kelten-Ausstellung wollte ich mir sowieso sparen; es wäre nur bei einem längeren Aufenthalt interessant gewesen. Leider ist das angenehme Wetter schon wieder vorbei, es hat inzwischen angefangen, heftig zu „sprühregnen“ – sicher gut für den Teint, aber wenig einladend für weitere Besuche und schon gar nicht für das Riesenradfahren, das wir uns eigentlich vorgenommen hatten. So gehen wir nur zum Mittagessen ins vegetarische Restaurant und dann nach Hause. Jeder muss sich ja von seinen Strapazen erholen. Reinhard ist ganz beglückt, denn er hat ein Diplom bekommen und die Lehrerin hat bestätigt, dass er sich sehr gut eingefügt hätte. Nach Mittagsschlaf und Kaffeetrinken machen wir uns auf den Weg zum Konzert des Jazzfestivals im Spiegelzelt am George Square im Universitätsgelände. Wir hätten noch früher losgehen sollen, denn es haben sich bereits zwei recht lange Schlangen vor dem Eingang zum Spiegelzelt gebildet. Dass es immer wieder mal regnet, regt die Besucher in der Reihe keineswegs auf, sie sind es offenbar gewöhnt. Trotz der Besucherschlangen bekommen wir noch einen recht guten Platz, von dem aus wir einen guten Blick auf die Bühne haben. Wir sind sehr überrascht, dass das Spiegelzelt dem der „Bar jeder Vernunft“ in Berlin zum Verwechseln ähnlich ist, man könnte meinen, sie haben es in Berlin abgebaut. Aber es gibt ja sogar noch ein zweites Spiegelzelt auf dem St.Andrews-Square. Von Beginn an reißt uns die Musikergruppe mit ihrem professionellen Spiel und Gesang mit – es ist vor allem Swing der 20iger und 30iger Jahre. Neben der Sängerin sind besonders der Sologitarrist und der Saxophonist (aus Polen stammend) hervorzuheben. Reinhard schaut sich ganz intensiv die Griffe des Gitarristen an; er wird sie sicher in Berlin nachspielen… Auf jeden Fall ist es ein wundervoller Abschiedsabend. Beschwingt essen wir noch eine Pizza (auch nicht schlecht im Vergleich zu Ali Baba in Berlin) und machen uns dann auf den Heimweg mit dem Bus zu unserer Unterkunft. Es regnet immer noch. Nun war es doch wieder so schön, wir hoffen, dass nicht noch etwas Schlimmes passiert ist … Der Blick ins Fernsehen bestätigt unsere eher unwahrscheinlichen Befürchtungen: Wir erleben den Putsch in der Türkei „live“. So wird auch dieser schöne Abend wieder von schrecklichen Ereignissen überlagert. Sonnabend, 16. Juli 16 So, dies ist nun der letzte halbe Tag in Edinburgh. Zunächst muss nach allen Regeln der Kunst gepackt werden, denn wir haben doch das eine und andere eingekauft. Gegen 10.30 Uhr sind wir damit fertig und können nun noch einmal zur Royal Mile fahren, um letzte Pfunde auszugeben. Dann geht es wieder mit dem 35iger Bus Richtung Flughafen, eine gute Gelegenheit, auf der Fahrt noch andere Bezirke Edinburghs zu besichtigen. In den weniger touristischen Gebieten sieht man auch mehr chinesische Restaurants – ich hatte sie sehr viel mehr über die ganze Stadt verteilt erwartet. Das Einchecken am Flughafen verläuft ganz reibungslos, aber kurz vor dem Abflug soll es doch noch einmal hektisch werden. Aufgrund eines Hörfehlers meinerseits glauben wir, dass sich der Abflugschalter geändert hat. Am Ende unseres langen Weges finden wir nach vielem Nachfragen schließlich heraus, dass es doch keine Änderung gegeben hat. Also geht es den ganzen Weg im Eiltempo zurück – Reinhard genervt. Wir kommen aber doch noch rechtzeitig an. Dann der nächste Schlag: „Please combine your luggage!“, heißt es, also muss der Computer in die neue rote Tasche und meine Handtasche in den Rucksack gestopft werden. Was für ein Unsinn, aber die Angestellte ist nun zufrieden. Etwas abgehetzt finden wir unsere Sitzplätze schon besetzt. Oh je, ist das Flugzeug überbucht, denke ich. Nein, die etwas schusselig dreinschauenden Damen haben die Plätze vertauscht. So, nun kann es endlich losgehen in Richtung Berlin. Von nun an passieren auch weiter keine Zwischenfälle, so dass wir die Stadt „safe and sound“ erreichen. So, das war doch insgesamt eine tolle Reise, von der wir noch lange zehren werden. Nachtrag Neben der Stadtbesichtigung und der Schule haben wir natürlich auch die politischen Ereignisse intensiv verfolgt. Die Auswirkungen des Brexit haben mit dem Rücktritt Camerons und aber auch Johnsons (er fühlte sich nicht für die Führung der Tories geeignet) derartige Turbulenzen ausgelöst, die das bisher eher besonnene England noch nie erlebt hat. Zumindest waren sogar die Journalisten völlig sprachlos. Noch verwirrter erschienen die Journalisten von BBC angesichts der Ernennung von Boris Johnson zum Außenminister. Man rätselt wohl noch immer über die Entscheidung der Premierministerin Theresa May, so viele Brexit-Befürworter in entscheidende Positionen gehoben zu haben, wo sie doch selber für den Verbleib in der EU war. Die weitere Entwicklung wird vielleicht mehr Aufschluss darüber geben. Für mich war es interessant zu beobachten, in welcher Weise die Fürsprecher des Brexit argumentieren. Sie sehen das alles ganz „locker und flockig“ und versuchen den Eindruck zu vermitteln, dass sich der ganze Prozess problemlos bewältigen ließe. Dass es natürlich nicht so ist, bewies die unmittelbar erste Reise von May nach Edinburgh, um mit der dortigen Ministerpräsidentin, die ja für den Verbleib Schottlands in der EU kämpft, zu verhandeln. Die Konflikte aus der Reformationszeit scheinen auf einmal ganz nah. Noch ein anderer Aspekt hat mir zu denken gegeben: Obwohl wir ganz überwiegend auf ausgesprochen freundliche Leute gestoßen sind, mit denen wir auch ganz nett kommunizieren konnten, sind mir die Banker aus der George-Street - junge, „intellektuelle“ Männer - sehr unangenehm aufgefallen. Sie kommen mit einer gespielten Lässigkeit daher, die jedoch unterschwellig eine gewisse Angestrengtheit zum Ausdruck bringt. Jeder möchte sich irgendwie als etwas Besonderes beweisen, es jedoch zugleich nicht so scheinen zu lassen. Das ist m.E. insgesamt nicht gut, denn eine klare Auseinandersetzung bei Problemen wird damit sicherlich verhindert. <img src="http://vg03.met.vgwort.de/na/14583f8fcf314a9d8177b216a9c2b4e1" width="1" height="1" alt="" />
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AutorSimone Lück-Hildebrandt, Archive
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