Der neue amerikanische Präsident Barack Obama erfuhr anfangs eine Welle des „Mitleids“ angesichts der Diskrepanz zwischen den überhöhten Erwartungen der Welt und der tiefen ökonomischen, moralischen und strategischen Krise, in denen sich die USA befand. Neben praktischen Lösungen für die Krisen im In- und Ausland hing viel davon ab, ob und wieweit es Obama gelang, dass die USA imperiale und hegemoniale Ansprüche aufgaben und eine neue Rolle innerhalb einer multilateralen internationalen Struktur fanden. Mit den historischen und politischen Hintergründen dieser Fragestellung beschäftigt sich der folgende Artikel. 1. Vergänglichkeit von Imperien und Hegemonien Machtkonstellationen entstanden in allen Zeiten menschlichen Zusammenlebens, jedoch erst auf höherem Entwicklungsniveau bildeten sich so vielschichtige Formen wie Hegemonien oder Imperien aus. Begründet wurde Herrschaft vorwiegend als Herrschaft der Besten, von Gott selbst dem/den Würdigsten zugeteilt oder als Repräsentanz des Volkes. Obgleich alle Herrschaftsformen von endlicher Natur waren, umhüllte sie oftmals die Aura der Unsterblichkeit. Das Attribut „heilig“ (nichts anderes bedeutet der Begriff Hierarchie = heilige Ordnung) sollte z.B. ihren höchst irdischen Ordnungen höhere Weihen verleihen. Die Entwicklungsgeschichte der Herrschaftsformen und der dazugehörigen spezifischen Akkumulation von Macht verlief keineswegs gradlinig. Auf Zeitabschnitte, in denen Herrschaftsformen mit beschleunigter Machtzusammenballung dominierten, folgten Perioden, in denen Herrschaft eher mit Machtentsagung und Machtverfall assoziiert wurde. Gleichzeitig stattfindende parallele und gegenläufige Entwicklungen in der Entfaltung von Herrschaftsformen ließen die Herausarbeitung einer generellen Entwicklungslinie nicht zu, obwohl die fortschreitende Technologie als durchgängige Konstante nicht ohne Einfluss auf Machterwerb und -erhalt und die Ausformung neuere Herrschaftsformen geblieben ist. In vergangenen Zeiten erstreckten sich Imperien und Hegemonien zwar manchmal auch über den gesamten Globus, aber obwohl in ihnen die Sonne niemals unterging, gab es in und neben ihnen herrschaftsfreie oder umkämpfte Räume, die von Konkurrenten zur eigenen Machtentfaltung genutzt werden konnten. Mit dem Ende des Ost-West-Konflikts im Jahre 1990 schien in der Menschheitsgeschichte erstmals eine völlig neue Konstellation entstanden zu sein, die von der Machtelite der USA als eine nützliche Herausforderung angesehen wurde, um ihrer bis dahin räumlich beschränkten Hegemonie ein globales Ausmaß zu geben. Gründe für den Auf- und Untergang der Pax AmericanaDer phänomenale Aufstieg der USADie auf dem nordamerikanischen Kontinent siedelnde multikulturell zusammengesetzte Gemeinschaft verließ die hinter sich gelassene „alte Welt“ mit dem festen Willen, in der „neuen Welt“ nicht nur den europäischen Kolonialregimes den Kampf anzusagen, sondern gesellschaftlich etwas grundlegend Neues zu schaffen. Sie fand fruchtbares Land auf ausgedehntem besiedeltem Territorium vor. Die nun beginnende Fremdherrschaft über die angestammte indianische Bevölkerung und die Ausbeutung afrikanischer Sklaven setzte der Schaffenskraft und dem Schaffensvermögen des „weißen Mannes“ keine Grenzen und bereitete ihm wenig Skrupel, sondern wurde vielmehr von ihm als Zeichen Gottes gedeutet, dem „Guten“ und „Fortschrittlichen“ gegenüber dem Zurückgebliebenen auf dem gesamten amerikanischen Kontinent zum Durchbruch zu verhelfen. Begünstigt durch die Selbstschwächung der europäischen Herkunftsländer der Siedler und den frühzeitigen Übergang zur industriellen Massenproduktion von Gütern gelang bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts der Aufbau einer wirkungsvollen Konkurrenzposition gegenüber den alten europäischen Industrienationen, so dass schon nach dem 1. Weltkrieg die USA zum geschickt kalkulierenden Kapitalgeber der untereinander zerstrittenen, finanziell ausgebluteten sowie hinter den USA wirtschaftlich zurückbleibenden europäischen Staaten werden konnten. Nach dem 2. Weltkrieg rückte sogar das Ziel in greifbare Nähe, die bis dahin hinderliche Isolation des amerikanischen Kontinents durch zwei Weltmeere von den europäischen und asiatischen Absatzmärkten zu überwinden und sich in Westeuropa und den Küstenregionen des Pazifik als Vormacht zu etablieren. Der heraufziehende Konflikt mit der ökonomisch schwächeren Sowjetunion wurde zur Bündelung der eigenen wirtschaftlichen und militärischen Stärke und ihrer ständigen Steigerung benutzt, so dass im Dreiklang mit der eigenen kulturellen Ausstrahlungskraft nicht nur die us-amerikanische Vormacht in den Küstenregionen von Atlantik und Pazifik gefestigt, sondern schließlich sogar der Sieg im Ost-West-Konflikt errungen werden konnte.[1] 2. Hypertrophes hegemoniales Bewusstsein Die Sowjetunion hatte nach vierzigjähriger dualer Hegemonie mit den USA den Status einer Hegemonialmacht verloren. Die übrig gebliebenen USA nahmen die Herausforderung an, die Alleinherrschaft anzutreten und dehnten ihre Herrschaft auf das bis dahin von ihrem Partner/Gegner beherrschte Territorium sowie über den bis dahin block-freien Zwischenbereich aus. Das Ende der Geschichte (Francis Fukuyama) kündigte aus der Sicht us-amerikanischer Eliten das Zeitalter unbefristeter amerikanischer Obhut über die übrige Welt an, in dem es keine Freiräume für potentielle Konkurrenten mehr geben sollte. So hatte beispielsweise die Diskussion über den Unterschied zwischen Imperium und Hegemonie für die amerikanische Führung jeglichen Sinn verloren. Das Wohlergehen der USA war für sie deckungsgleich geworden mit dem Wohl der gesamten Staatengemeinschaft. Unilaterale Verhaltensweisen der us-amerikanischen Führung (leadership) entsprachen dieser Geisteshaltung. Die Differenzierung zwischen willigen und unwilligen „Partnern“, die Disqualifizierung der Ausgestoßenen als Schurken und die Reduzierung von Aufständen mit unterschiedlichsten Hintergründen auf verdammenswerte Untaten des „internationa-len Terrorismus“ war gleichfalls Resultat dieser Gesinnung. In ihrem Allmachtsdenken begriffen us-amerikanische Administrationen sogar die von ihnen propagierte und voran getriebene Globalisierung der Märkte zur Unterstützung der weltweiten Aktivität transnationaler Unternehmen und des Finanzkapitals als Beweis ihrer zunehmenden Stärke. Ihre bereits seit langer Zeit vernachlässigte Infrastruktur und die nicht mehr konkurrenzfähigen veralteten Industrien der USA entschwanden hinge-gen aus ihrer vornehmlich nach außen und auf den Ausbau ihrer Hegemonie gerichteten Aufmerksamkeit. Überbetonung der eigenen Weltgeltung bei gleichzeitigem inneren Verfall zeugten von einer zunehmenden Desorientierung der tonangebenden Eliten. Sie übersahen oder ignorierten die auf sie zukommenden realen Herausforderungen. Zunehmende innergesellschaftliche SpannungenIn der zweiten Amtsperiode der Bush-Administration erlebten die USA zum ersten Mal in ihrer Geschichte gleichzeitig das Erstarken ökonomischer Konkurrenten und die Anzeichen gesellschaftlicher sowie ökonomischer Schwächeerscheinungen in den USA. Etliche Mitglieder der reich gewordenen Oberschicht hatten damit begonnen bzw. zugelassen, dass große Teile der in ihrem Besitz befindlichen Industrie- und Dienstleistungsbereiche ins kostengünstigere Ausland (sogenannte Schwellenländer) verlagert wurden, die aus der Verlagerung der Produktion entstandenen Einkünfte in lukrativen Finanzanlagen zu investieren und durch drastische Steuersenkungen, die man während der Administrationen unter den Präsidenten Clinton und Bush Junior im Kongress durchsetzte, mehr Netto- vom ohnehin stark gestiegenen Bruttoeinkommen zurück zu behalten. Die Mittelschicht hatte sich unter dem Druck der Abwanderung mit geringen oder sogar stagnierenden Lohn- und Gehaltszuwächsen abzufinden, wurde aber zunächst durch preisgünstige Einfuhren von Waren aus Schwellenländern zufriedengestellt, mit der Illusion höherer Wiederverkaufswerte ihrer kreditfinanzierten Häuser geködert und durch groß-zügige Konsumentenkredite über ihren schleichend vonstatten gehenden Abstieg getäuscht. Der bereits verarmten und wenig gebildeten Unterschicht hingegen entzog der Staat sukzessive weitere staatliche Sozialleistungen und trieb die auf Gelegenheitsarbeiten mit geringer Entlohnung Angewiesenen sowie ohne Versicherungsschutz hilflos ihren Krankheiten Ausgelieferten immer tiefer in das Elend. Die Folgen der sich verschärfenden Ungleichheit zwischen dem „Geldadel“ an der Spitze der gesellschaftlichen Pyramide, der zwischen ihm und der Unterschicht eingeklemmten und um ihren Status besorgten Mittelschichtenangehörigen und der immer mehr verarmten Unterschicht untergruben den sozialen Frieden der us-amerikanischen Gesellschaft. Sie hatte bei ihrer Gründung dem gesellschaftlichen Zusammenhalt zwar nicht das Gleichheitsgebot, sondern das Glück und das Erfolgsstreben jedes Einzelnen als Basiswert unterlegt, aber die ungezügelte Bereicherung der Vermögenden und Spitzenverdiener verletzte immer stärker den lange Zeit existierenden Grundkonsens der us-amerikanischen Siedlergesellschaft und erzeugte in ihr beträchtliche Spannungen, die erstmals begleitet wurden von hegemonialen Überdehnungssymptomen. 3. Hinweise der Überdehnung us-amerikanischer Hegemonie So lange wie sich die USA darauf beschränkten, unter Einbeziehung der flankierenden Hilfe des Ost-West-Konflikts das innerwestliche Dreieck USA-Japan-Westeuropa zu dominieren, blieb ihre hegemoniale Position unangefochten. Gegenüber Westeuropa und Japan bevorzugten sie im allgemeinen das Erscheinungsbild einer wohlwollenden Hegemonie, während sie im Verhältnis zu Lateinamerika und nahöstlichen Rohölproduzenten ihre rein machtorientierte und interventionistische Negativseite hervorkehrten. Erst nach dem Zerfall ihres Ko-Hegemons UdSSR zu Anfang der neunziger Jahre, den sie ohne zu ahnen vorangetrieben hatten, dass auch ihre hegemonialen Ambitionen darunter zerbrechen könnten, verfingen sie sich auf dem unsicheren Terrain der Globalisierung. Von den vormals im innerwestlichen Dreieck hegemonisierten Randstaaten des Pazifik und Westeuropa sowie den als Hintersassen behandelten Lateinamerikanern fiel der Druck des Ost-West-Konflikts ab. Sie drangen auf Gleichbehandlung und lehnten die Fortsetzung amerikanischer Hegemonie ab, die ihnen jetzt als us-amerikanische Forderung angetragen wurde, das angeblich sehr erfolgreiche us-amerikanische Wirtschafts- und Gesellschaftssystem zu übernehmen. In der Sichtweise des künftig global agierenden Hegemons mussten alle hegemonisierten Volkswirtschaften nach dem amerikanischen Modell funktionieren und auf die zentralen Handels- und Finanzplätze New York und London orientiert werden. Der Widerstand der Kontinentaleuropäer gegenüber dem anglo-amerikanischen Muster entzündete sich insbesondere an der amerikanischen Forderung, im Zeichen des Neoliberalismus ihre Sozialstaatssysteme aufgeben zu sollen, auf denen bisher die Erhaltung des sozialen Friedens ihrer Gesellschaften beruhte. Nur wenn die us-amerikanische Globalisierungsstrategie auch auf die sogenannten Schwellenländer (China, Indien, Mexiko u.a.) ausgedehnt wurde und dort engagierte transnational agierende Unternehmen deren niedrige Produktionskosten als Druckmittel gegenüber den etablierten hochindustrialisierten Ländern ausspielten, schien deren Widerstand gebrochen werden zu können. Hatten anfangs amerikanische Unternehmen und Finanzorganisationen leichtfertig die Meinung vertreten, den chinesischen Markt mit us-amerikanischen Waren überschwemmen zu können, um im gegenseitigen Handelsaustausch zugleich auch kostengünstig produzierte chinesische Waren auf dem amerikanischen Markt zu verkaufen, wurden sie nach kurzer Zeit eines besseren belehrt. Nicht die USA drückten China ihren Stempel auf, sondern umgekehrt ergoss sich ein immer umfangreicherer Strom in chinesischen Fabriken produzierter Waren auf den amerikanischen Markt. Denn die Chefs amerikanischer Unternehmen hatte nicht nur Gefallen an der Verlagerung von Produktionsstätten aus den USA nach China und den daraus entstehenden zusätzlichen Gewinneinnahmen gefunden, sondern – wie bereits erwähnt – konnten amerikanische Konsumenten mit preisgünstigen Verbrauchsgütern aus chinesischer Produktion für längere Zeit über die langfristigen negativen Folgen der Produktionsverlagerungen im Unklaren gelassen werden. Zielstrebig an der grenzenlosen Vermehrung ihres Reichtums interes-sierte Mitglieder der us-amerikanischen Gesellschaft unterminierten die hervorgehobene Position der USA in einer globalisierten Welt, indem sie ihren privaten Gewinninteressen Vorrang einräumten gegenüber dem bis dahin für alle US-Bürger geltenden gesellschaftlichen Konsens am vorrangigen Wohlergehen der amerikanischen Nation. Sie untergruben in der gleichen Weise den gesellschaftlichen Zusammenhalt der USA wie es in feudalistischen Staaten des alten Europas geschehen war, als Feudalherren dem aufstrebenden Bürgertum nacheiferten und als Unternehmer zu Reichtum und Einfluss gelangen wollten. Jene zu kapitalistischen Unternehmern gemauserten Feudalherren zerstörten den bis dahin für den gesamten Adel geltenden Konsens an der Erhaltung der gesellschaftlichen Grundlagen des Feudalismus, schwächten die Privilegien des Adels und stärkten das auf gleiche Rechte für alle Gesellschaftsmitglieder pochende Bürgertum. Die Globalisierungshoffnungen der USA scheiterten jedoch letztendlich an der Weigerung Chinas, künftig zum Annex des erweiterten innerwestlichen Dreieck USA-Westeuropa-Japan zu werden. China öffnete sich zwar dem einfließenden Anlagekapital transnationaler Unternehmen, aber die chinesischen Führer gaben die Staatszügel zu keinem Zeitpunkt aus der Hand und verhielten sich insofern völlig anders als die russische Führung unter Präsident Jelzin. Es gelang den USA auch nicht, China die Ko-Hegemonie anzudienen. Sie verloren sogar ihren maßgeblichen Einfluss auf das Russland Putins und mussten schließlich akzeptieren, dass das von ihnen umworbene Indien zwar das Nuklear-abkommen mit ihnen abschloss, sich aber nicht als Gegenleistung an der Eindämmung Chinas beteiligte. Ganz im Gegenteil knüpften die führenden asiatischen Länder China, Russland und Indien engere Kontakte untereinander und selbst Japan und Südkorea näherten sich dieser übergreifenden asiatischen politischen und ökonomischen Zusammenarbeit. Abgesehen von Großbritannien zeigten sich auch die übrigen Westeuropäer gegenüber der Schaffung eines gemeinsamen eurasischen Wirtschaftsraums aufgeschlossen. Sie mussten aber noch die ost-europäischen Mitgliedsländer der Europäischen Union vom Nutzen dieser Verbindung überzeugen. Jene Länder, darunter insbesondere Polen und Tschechien, betrachten immer noch die USA als ihren Beschützer. Erst das militärische Nichteingreifen der USA im georgisch-russischen Konflikt scheint sie davon überzeugt zu haben, dass sie sich nicht auf die USA verlassen können. 4. Die Finanzkrise als Menetekel für die unabwendbare Anpassung der USA an eine multilaterale Struktur Bereits die Misserfolge der USA in den beiden von ihnen geführten Kriegen – im Irak und Afghanistan – hatten ihre Glaubwürdigkeit stark beschädigt. Noch stärker sank ihre Wertschätzung in der Meinung der Weltöffentlichkeit durch die Zulassung von Folter im sogenannten „Krieg gegen den Terror“. Aber erst die von den USA ausgehende Finanzkrise zerstörte das bis dahin noch vorhandene Grundvertrauen in die USA als federführende Finanzmacht. Den letzten Rest besorgte der ehemalige Chef der Technologiebörse Nasdaq, Bernard L. Madoff, der in der bisher größten Betrugsaffäre der Wall Street seine Gläubiger um mehr als 50 Mrd. US-Dollar brachte. Die USA werden in der Zukunft nicht mehr der Hort für sichere Geldanlagen sein, die Leitwährungsfunktion ihres Dollars verlieren und ihre Handelsdefizite wie alle anderen auch durch Sparmaßnahmen abtragen müssen. Damit hätten die USA ihre hegemoniale Stellung als Finanzmacht verloren. Sie würden sich in das Konzert der führenden Großmächte einordnen und als unaufschiebbare Forderung ihre eigene Volkswirtschaft sanieren müssen. Ein Wiederauflage des „New Deal“ ist bereits unter dem amerikanischen Präsidenten Obama in Planung. Die Ausrichtung auf eine Erneuerung der maroden Infrastruktur, die Modernisierung der heimischen Industrie und Dienstleistungsbereiche wird aller Wahrscheinlichkeit nach nur durch eine drastische Reduzierung der Militärausgaben zu finanzieren sein. Damit würden die USA auch ihre Fähigkeit verlieren, in allen Gebieten der Erde militärisch präsent zu sein und in Konflikten auf die eine oder andere Weise eingreifen zu können. Ihre bereits stark reduzierte militärische hegemoniale Position hätten sie damit ebenfalls vollkommen verloren. Die USA würden den Gang vieler vor ihnen gescheiterter Hegemonien gehen. In den meisten Fällen hatten deren machtpolitische Eliten den Niedergang eingeleitet, indem sie ihre eigenen Interessen über diejenigen der Gesamtgesellschaft stellten. Im Verein mit anderen innergesellschaftlichen Kräften nahmen sie entweder die damit oftmals verknüpfte Überdehnung ihrer Hegemonie hin oder erkannten diese Gefahr nicht rechtzeitig. Bereits vor dem Amtsantritt des gewählten US-Präsidenten Obama im Januar 2009 stießen seine vorgeschlagenen Maßnahmen zur inneren Erneuerung der USA im Kongress auf erhebliche Widerstände. Der Konflikt zwischen einem Arbeitsplätze schaffenden Beschäftigungsprogramm auf der einen Seite und einer konsumentenfreundlichen generellen Senkung von Steuern auf der anderen Seite trennt in den beiden Häusern des Kongresses Demokraten und Republikaner. Ob nach den vergeblichen Versuchen der Vergangenheit die dringend erforderliche Reform des Gesundheitswesens dieses Mal die Mehrheit von Repräsentantenhaus und Senat erhält, ist höchst zweifelhaft. Auf welche Widerstände die Reduzierung der Militärausgaben stoßen wird, ist angesichts der prestigeträchtigen Vergabe von Rüstungsaufträgen an die untereinander um Aufträge konkurrierenden Unionsstaaten ebenfalls noch nicht kalkulierbar. Der zur Überwindung der wirtschaftlichen Rezession gegen null tendierende Zinssatz der US-Zentralbank und die fast grenzenlose Vermehrung des US-Dollars werden zu einer drastischen Abwertung der us-amerikanischen Währung führen. Wie darauf die Halter von US-Schatzanweisungen reagieren werden, ist noch unklar. Die Flucht in den Euro könnte eine der Reaktionen sein. Hegemoniales Bewusstsein ist langlebig, wie man am Beispiel des immer noch lebendigen Denkens der russischen Machtelite erkennen kann. Erst recht käme es für die tonangebende Elite der USA einer fast übermenschlichen Anstrengung gleich, ihr „leadership“-Denken und -Verhalten nicht nur zu mäßigen, sondern ganz aufzugeben und sich als gleicher unter gleichen in das Konzert der globalen Mächte einzureihen. Bemühungen der Europäer, und darunter insbesondere die Anstrengungen der sogenannten Transatlantiker, zwischen Europa und den USA ein Verhältnis von gleich zu gleich zu etablieren, könnten an den verfestigten Denkstrukturen in den USA und dem eigenen, nur teilweise bewussten Unterwürfigkeitsverhalten scheitern. Anmerkungen 1 Sich am eigenen Schopf aus krisenhaften Entwicklungen zu ziehen ist geradezu zum Markenzeichen us-amerikanischer gesellschaftlicher Entwicklung geworden, wie beispielsweise die Überwindung der Lethargie am Ende der fünfziger Jahre durch die Orientierung auf die Eroberung des erdnahen Weltraums in der Administration unter John F. Kennedy, die Aufarbeitung des Vietnamtraumas in der zweiten Hälfte der siebziger Jahre, der Abschied vom „Star Wars“ unter Reagan am Ende der ersten Hälfte der achtziger Jahre und die technologische Erneuerung unter Clinton zur Jahrhundertwende. <img src="http://vg03.met.vgwort.de/na/fddcb093a20c4b7c9341746428cc7249" width="1" height="1" alt="" />
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AutorReinhard Hildebrandt ArchiveTextliste
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